Orte und Akteur_Innen in der Neuen Musik in Köln II
ALTE FEUERWACHE KÖLN
Wesen: Soziokulturelles Zentrum und vielseitige Spielstätte im Zentrum Kölns
Kuratorin: Sabine Keller, Leiterin des Kulturbereichs der Alten Feuerwache
Infrastruktur: umfangreiche Technikausstattung, mehrere Bühnen, Kulturkalender
Flügel: ja (mittleren Standards)
Honorare: nein. Mietkosten: ja.
Programm: Neuer Musik, zeitgenössischer experimenteller Musik, zeitgenössischem Theater und Tanz
Bewerbungszeitraum: immer, aber mit viel zeitlichem Vorlauf (6-12 Monate, kleine Produktionen auch kurzfristiger)
Bewerbung an: sabine.keller@altefeuerwachekoeln.de
EVANGELISCHE KIRCHENGEMEINDE KÖLN-BRÜCK-MERHEIM
Wesen: Spielstätten in der Vorstadt
Kuratorin: Jane Dunker
Infrastruktur: Eigenausstattung notwendig. Proben möglich.
Flügel: nein. Aber ein Klavier.
Honorare: kleine Honorare. Mietkosten: nein.
Programm: zeitgenössische experimentelle oder improvisierte Musik, Ausstellungen sowie interreligiöse, interkulturelle und interdisziplinäre Projekte.
Bewerbungszeiträume: immer.
Bewerbung an: janedunker@ekir.de
ALTE FEUERWACHE & EVANGELISCHE GEMEINDE BRÜCK-MERHEIM
Eingang
ob klein, wo geht's denn hier rein? Die Alte Feuerwache Köln im innerstädtischen Agnesviertel ist einer der bekanntesten Orte für zeitgenössische Musik und Darstellende Künste in Köln. Namhafte Kölner Ensembles haben hier ihre Stammbühne, und der Kulturkalender, voller überregionaler Gastspiele, lockt viele Kennerinnen und Neue Musik-Freundinnen in das soziokulturelle Zentrum. Im Gegensatz dazu befindet sich die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Brück-Merheim am Stadtrand und außerhalb des Radars überregionaler Aufmerksamkeit, obwohl hier mindestens genauso viele Spitzen der zeitgenössischen Musikszene experimentieren und Klangräume für ein vorstädtisches Publikum schaffen.
Wer an diesen Orten der freien Musikszene Kölns Veranstaltungen durchführen möchte, benötigt allerdings mehr als großes Renommee oder eine tolle Idee, denn die Anfragen von Künstlerinnen und Veranstalterinnen drängen sich an den Eingängen. Autorin Maike Graf klärt mit Sabine Keller (Leiterin des Kulturbereichs der Alten Feuerwache) und Jane Dunke Jane Dunker (Kulturreferentin der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Brück-Merheim), wie die Zugänge zu ihren Bühnen für freischaffende Künstler*innen sind und welche Infrastruktur und Möglichkeiten ihre Häuser bieten.
Bühne(n) - Was findet statt?
BRÜCK-MERHEIM: „„Die Spielstätten der Evangelischen Gemeinde Brück-Merheim sind ein wenig anders als die anderen Spielorte, die bisher in dieser Reihe porträtiert wurden. Sankt Peter, das LTK4, das Loft und auch die Alte Feuerwache befinden sich alle in der Innenstadt Kölns. Meine Kirchen in Köln-Brück und Köln-Merheim liegen beide in der Vorstadt, fast schon in Bergisch Gladbach, und sind dezidiert für ein vorstädtisches Publikum gedacht. Hier veranstalten wir zeitgenössische experimentelle oder improvisierte Musik, Ausstellungen sowie interreligiöse, interkulturelle und interdisziplinäre Projekte.“
ALTE FEUERWACHE: „Die Alte Feuerwache in Köln ist eine vielseitige Spielstätte, in der seit 40 Jahren Kulturveranstaltungen stattfinden. Unsere Schwerpunkte liegen auf Neuer Musik, zeitgenössischer experimenteller Musik, zeitgenössischem Theater und Tanz. Der Ort ist ein lebendiger Treffpunkt für Austausch und Begegnung, ein soziokulturelles Zentrum mitten in Köln.“
Fundament - Was ist eure Veranstalter-Philosophie?
BRÜCK-MERHEIM: „Meine Spielstätten liegen am Rande von Köln, und die Leute kommen wegen der Nähe. Die Projekte dauern nie länger als eine Stunde, und im Anschluss gibt es Schnittchen mit veganem Aufstrich, um die Teilnehmenden zum Verweilen und Austausch zu animieren. Unabhängig davon, ob es sich um Musik, Theater oder Ausstellungen handelt, fordere ich die Künstler dazu auf, sich anschließend auf Augenhöhe mit dem Publikum zu unterhalten. Die Nähe schafft eine Gemeinschaft, in der man bekannte und unbekannte Gesichter trifft, und Beziehungen zu Klängen und Worten entstehen, die unserem Publikum selten begegnen. Etwas Derartiges erlebt man am Stadtrand sonst nicht.“
ALTE FEUERWACHE: „Wir bieten hier eine Plattform für professionell arbeitende Kulturschaffende, die bei uns Veranstaltungen umsetzen können. Unser Kulturkalender ist voller zeitgenössischer, häufig kulturübergreifender und gerne interdisziplinärer Projekte und Veranstaltungen. Für den Kulturbereich wähle ich Vorstellungen aus, die zum Profil der Alten Feuerwache passen. Die Künstler*innen nutzen unsere Räume und technische Infrastruktur gegen ein Gebühr.“
Künstler_Inneneingang - Was passt in Euer Programm?
FEUERWACHE: „Zur Feuerwache passt vor allem zeitgenössische Kunst. Über die letzten 30 bis 40 Jahre haben sich hier drei Hauptthemen herauskristallisiert: zeitgenössisches Theater, Tanz und Neue Musik. Ein gesellschaftspolitischer Ansatz ist mir durchaus wichtig; es ist spannend, wenn etwas Experimentelles oder Neues dabei ist. Seit 2019, also seit die Halle zum Kulturbereich der Feuerwache gehört, gibt es hier auch viele Ausstellungen. Unser kleines Kino bietet Raum für Diskussionsformate und Filmvorführungen, auch mal im Zusammenhang mit einem Konzert oder Festival. Natürlich haben auch etablierte Ensembles wie Handwerk und Garage hier ihren Platz. Aber wir legen großen Wert darauf, Vielfalt zu fördern, indem wir anderen Ensembles die Möglichkeit geben, sich zu präsentieren.“
BRÜCK MERHEIM „In mein Programm passt alles, was nicht Mainstream, was ein bisschen fremd ist. Worüber die Menschen sich hinterher austauschen, nachdenken können. Ich kuratiere sehr gerne Formate, die noch nicht fertig sind. Hier vor Ort kann dann ein Entstehungsprozess stattfinden, zum Beispiel im Rahmen von Workshops mit anschließendem Werkstattkonzert. Besonders gerne wähle ich Projekte aus, die ortsbezogen arbeiten wollen. Wenn sie also die klanglichen und räumlichen Eigenschaften der Brücker oder Merheimer Kirche, ihrer Orgel, ihrer Kirchenglocken oder deren Umgebung mit einbeziehen. Ein Format, das mir besonders gefällt, sind Ausstellungen, die sich thematisch mit Musik oder Texten verbinden. Ich glaube, die Kölner Musiker*innen, die hier einfach nur auf die andere Rheinseite fahren müssen, schätzen auch, dass sie hier ein neues Publikum haben, vor dem sie Sachen austesten können. Kolleg*innen oder Kenner*innen sind bei mir nur ein kleiner Teil des Publikums.“
Tür - Zeit und Geld
FEUERWACHE: „Der Kulturbereich der Feuerwache besteht aus einer Kulturmanagerin und einer halben Stelle für Veranstaltungstechnik. Leider haben wir hier kein Budget, um Honorare oder Material für unsere Gastspiele zu finanzieren. Künstler*innen, die hier auftreten wollen, beantragen individuell Fördermittel und mieten unsere Räume nach einer Raumnutzungsgebühr.
Die Kosten für unsere Räume variieren. Wir versuchen auch, die Förderlage einer Produktion bzw. eines Ensembles mit einzubeziehen und so auch weniger bekannten Künstler*innen und Ensembles eine Bühne zu bieten.
Eine Produktion mit einem Probe- und einem Aufführungstag muss etwa 1200 Euro veranschlagen. Darin inbegriffen ist dann eine Fachkraft für Veranstaltungstechnik aus unserem Pool. Die Einnahmen aus dem Kartenverkauf gehen im Gegenzug zu 100 Prozent an die Produktion bzw. das Ensemble.“
BRÜCK-MERHEIM: „Ich arbeite ehrenamtlich als Kulturreferentin und habe für meine Veranstaltungen in Brück und Merheim ein sehr kleines Budget. Deswegen möchte ich, dass das bisschen Geld bei den lokalen Künstler*innen ankommt, die freiberuflich von ihrer Kunst leben. Der lokale Schwerpunkt ist ein Gegenentwurf zum normalen Kulturbetrieb mit vielen Klima schädlichen Reisen. Bei kleinen Ensembles versuche ich, jeder Person 200 € für ihren Auftritt zu bezahlen, freue mich aber, wenn ein Ensemble eine externe Förderung bekommt und nur einen funktionierenden Konzertort braucht. Man kann in den Kirchen oder Gemeinderäumen auch proben. Für Kölner Musiker*innen kostet ein Probentag 60 €. Aber es ist nicht so, dass einfach jeder einen Raum bestellen kann, ohne Gemeindearbeit geleistet zu haben, also hier mal ein Konzert gespielt oder etwas veranstaltet zu haben.“
Klinke - Bewerbung und Erstkontakt
FEUERWACHE: „Um eine Veranstaltungsmöglichkeit bewirbt man sich bei uns am besten per Mail. Ich benötige eine Projektbeschreibung mit Inhalten, Projektbeteiligten, dem Probenzeitraum, den gewünschten Vorstellungstagen und einen Überblick über die Fördersituation. Wichtig ist, dass sich Projekte rechtzeitig mit ausreichendem Vorlauf melden. Unsere Planung beginnt sechs bis zwölf Monate im Voraus. Einzeltermine lassen sich gelegentlich noch einschieben. Dann prüfe ich, wer die Ausführenden sind und ob sie bereits bei einem Projekt mitgewirkt haben, das ich aus der Feuerwache oder einer anderen Spielstätte kenne. Alternativ frage ich die Kolleg*innen von ON Cologne, ob sie Künstler*innen empfehlen können. Da ich mich gerne intensiv mit den Anfragen für unser Kulturprogramm auseinandersetze, kann es manchmal eine Weile dauern, bis ich reagiere.“
BRÜCK-MERHEIM: „Da ich als ehrenamtliche Kulturreferentin auch für die Werbung und das Öffnen, Bestuhlen, Vor- und Nachbereiten und Abschließen der Kirche verantwortlich bin, plane ich basierend auf meinen eigenen Kapazitäten und Zeiträumen. Dabei entscheide ich mich eher kurzfristig für Veranstaltungen. Ich lade gerne Leute ein, deren Konzerte ich in Köln bereits besucht habe und bei denen ich einschätzen kann, wie sie zu meinem Publikum passen. Anfragen erreichen mich per E-Mail, die ich auch mal kurzfristig beantworte. Zudem kann es vorkommen, dass ich für thematische Ausstellungen passende Musiker*innen oder Künstler*innen in das Programm einlade.“
Raum & Mobiliar - Welche Infrastruktur bietet ihr?
FEUERWACHE: „Zum Kulturbereich der Alten Feuerwache gehören vier Räume: die Halle, die Bühne, das Kino und das Studio, ein Workshop- und Probenraum. Unsere Bühne ist ein großer Saal in der ersten Etage, der normalerweise mit einer Tribüne zur frontalen Beschallung von bis zu 150 Besucher*innen genutzt wird. Man kann den Raum vollständig abdunkeln und mit Tanzboden zur Blackbox verwandeln. Hier gibt es auch einen Flügel mittleren Standards.
Unsere Spielstätte „Halle“ kann rund 100 Personen (bestuhlt) fassen. Sie ist die kleine Schwester der Bühne: weiß von innen, ebenerdig, sehr vielfältig bestuhl- und bespielbar. Die Licht- und Tontechnik in diesen beiden Räumen ist etwas aufwändiger, da sie professionell gehängt und installiert werden muss. Wir sind jedoch mittlerweile gut ausgestattet, auch für größere Bühnenstücke. Eine Infrastruktur für Öffentlichkeitsarbeit oder Marketing bieten wir nur im Rahmen unseres gedruckten Kulturprogramms und im Kulturkalender auf unserer Website. Ticketing und Abendkasse müssen die Veranstalter*innen selbst übernehmen, dafür nehmen wir keinen Anteil an deren Einnahmen.“
BRÜCK-MERHEIM: „Die Künstler*innen, die in den Kirchen Brück oder Merheim auftreten, müssen alles selbst mitbringen. Es gibt ein Klavier und fest installierte Strahler, aber ich habe überhaupt keine Technik. Allerdings bietet der Raum viele Möglichkeiten der Bestuhlung und Ausrichtung sowie genügend Platz für größere Ensembles, Orchester oder Theatergruppen bis zu 20 Personen. Proben vor Konzerten sind bei uns möglich.“
Ausgang - Wünsche
FEUERWACHE: „Eine Zukunftsvision, für die ich gerne arbeite, ist die einer Feuerwache, die noch mehr ein Ort des Austauschs ist. Ich sehe es gerne, wenn eine probende Tanzkompanie mit spielenden Kindern auf dem Hof zusammenkommt und etwas entwickelt, auch wenn es nur für die Pause ist. Unsere Räume oder die Plattform, die wir sind, bieten so viel Potential für Austausch und Netzwerke, dass noch viel mehr Neues und Interdisziplinäres entstehen könnte. Mit besserer personeller Besetzung oder Produktionsgeldern könnten wir das noch fokussieren, in kuratierten Veranstaltungsreihen oder Festivals.“
BRÜCK-MERHEIM: „Meine Zukunftsvision, nicht nur für meine Gemeinde, sondern generell, ist geprägt von weniger Globalisierung und mehr Regionalisierung. Gerade am Stadtrand, wo kulturelle Angebote oft unterversorgt sind, strebe ich an, dass Kirchen zu lebendigen Orten der kulturellen Begegnung werden. Künstlerinnen aus den Stadtteilen könnten dazu beitragen, lokale Auftritte zu gestalten und Beziehungen zur Gemeinschaft aufzubauen. Dies könnte dazu führen, dass Menschen lieber vor Ort bleiben, weil sie eine persönliche Verbindung zu den auftretenden Künstlern haben. Mein Ziel ist es, die Notwendigkeit übermäßiger Globalisierung zu reduzieren und die Kreativität und Aktivitäten vor Ort zu schätzen. Dafür könnte ich mir gut vorstellen, dass Kölner Künstlerinnen in den Kölner Kirchen Organisationsverantwortung übernehmen, um selbst Veranstaltungen zu planen und umzusetzen.“
Verfasserin: Maike Graf